17.-18. Mai 2003 – Fotografien als historische Quellen zu den deutsch-polnischen Beziehungen 1939-1945

In Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften haben wir eine Tagung zum Thema “Fotografien als historische Quellen zu den deutsch-polnischen Beziehungen 1939-1945” durchgeführt.

Mit dem Ziel, von verschiedenen Ausgangspunkten fotografische Überlieferungen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs zu diskutieren, trafen sich auf der Konferenz in Berlin-Pankow Historikerinnen und Historiker, Archivarinnen und Archivare, Publizistinnen und Publizisten, Dokumentarinnen und Dokumentare sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Geschichtswerkstätten und Museen aus Deutschland, Österreich und Polen zum Erfahrungsaustausch. Durchgeführt wurde die Tagung von der Deutsch-Polnischen Akademischen Gesellschaft e.V. in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Die wissenschaftliche Leiterin der Veranstaltung war Miriam Arani von der Deutsch-Polnischen Akademischen Gesellschaft e.V.
Im ersten Teil der Veranstaltung wurden allgemeine Problemstellungen und Lösungsansätze bei der Archivierung, Beschriftung, Analyse und Interpretation von fotografischen Quellen diskutiert. Im zweiten Teil lag der Schwerpunkt auf Fotoaufnahmen zu den deutsch-polnischen Beziehungen 1939-45.

Die Vorträge

  • Dr. Bernd Boll (Freiburg): Zur Überlieferung von deutschen Amateurfotografien aus dem Zweiten Weltkrieg
  • Dr. Elisabeth Klamper (Wien): Fotografische Quellen im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW).
    Zur Sammlungsgeschichte und den Angriffen auf fotgrafische Quellen aus dem Archiv im Zusammenhang mit der “Wehrmachtsausstellung”
  • Dr. Piotr Swiatek (Köln): Zur Überprüfung der Authentizität von Fotografien mit modernen Bildverarbeitungsmethoden
  • Klaus Hesse M.A. (Berlin): Fotografien der öffentlichen Demütigung von sog. Rasseschändern in verschiedenen deutschen Archiven
  • Miriam Yegane Arani M.A .(Berlin): Fotografien aus dem besetzten Warschau 1939-42. Skizze zu den Entstehungszusammenhängen der
    fotografischen Quellen und zu einigen wichtigen Bildthemen im Vergleich
  • Dr. Danuta Jackiewicz (Warschau): Polnische Bildbände der Nachkriegszeit über die nationalsozialistische Besatzungszeit 1939-45

Dr. Bernd Boll (Freiburg):Zur Überlieferung von deutschen Amateurfotografien aus dem Zweiten Weltkrieg

Der einleitende Vortrag von Bernd Boll widmete sich den Problemen der Überlieferung von deutschen Amateurfotografien aus dem Zweiten Weltkrieg. Da das Fotografieren in den 1930er Jahren eine beliebte Freizeitbeschäftigung vor allem junger Männer war, schätzt man, dass der Anteil der kamerabesitzenden Wehrmachtssoldaten über 10 % lag. Unter ihnen entwickelte sich eine Jagd nach Fotos als Zeitdokument und Trophäe und informelle Strukturen zur Verbreitung von Fotos innerhalb der Truppe. Ein Teil der Fotoaufnahmen, welche die Soldaten gewöhnlich in der Brieftasche bei trugen, gelangte nach ihrer Gefangennahme oder ihrem Tod in die Hände der Alliierten und wurden nach Kriegsende als Beweismaterial bei der Strafverfolgung benutzt. Private Fotos der zurückgekehrten Wehrmachtssoldaten wurden nach dem Krieg üblicherweise zu Hause aufbewahrt; Inzwischen dürften sie zu einem großen Teil in den Müll geworfen worden, in Auktionshäuser, auf die Flohmärkte oder in private Sammlungen gelangt sein. Nur in Einzelfällen übergaben Erben die fotografischen Hinterlassenschaften an Archive.

Innerhalb der Archive werden die privaten Fotografien nicht nach dem Provenienzprinzip inventarisiert, sondern zum Teil nach Provenienz, nach Sachthemen, Personen, geographischen Gebieten oder chronologischen Ordnungsprinzipien aufbewahrt. Aufgrund des chaotischen Überlieferungskontinuums sind die Entstehungs- und Überlieferungsgeschichten der in den öffentlichen Einrichtungen verwahrten privaten Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg oftmals nicht leicht zu bestimmen. Mehrfachabzüge, Reproduktionen (darunter seitenverkehrte Abzüge und verkleinerte Bildausschnitte), nachträgliche Beschriftungen und falsche Zuordnungen erschweren zusätzlich eine korrekte Einordnung durch Archivare und wissenschaftliche Nutzer.

Veröffentlichung: Bernd Boll, Das Adlerauge des Soldaten. Zur Fotopraxis deutscher Amateure im Zweiten Weltkrieg, Fotogeschichte, Heft 85/86, 2002, S. 75-87

Dr. Elisabeth Klamper (Wien): Fotografische Quellen im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW). Zur Sammlungsgeschichte und den Angriffen auf fotografische Quellen aus dem Archiv im Zusammenhang mit der “Wehrmachtsausstellung”

Elisabeth Klamper vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) referierte über die Problematik der fotografischen Quellen im DÖW. Das Archiv verfügt über 40 000 Fotos, die nach und nach digitalisiert werden und Nutzern zur Verfügung stehen. Erst nach den Diskussionen um die Fotos der ”Wehrmachtsausstellung”, von welchen ein Teil aus den Beständen des DÖW stammte, begannen innerhalb des Archivs Diskussionen über den Umgang mit Fotos als historische Quellen. Bis dahin waren Fotografien ausschließlich als Illustration verwendet worden; nach der Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der Bildquellen wurde nicht gefragt. Die Fotografien wurden oftmals anonym im Archiv abgegeben und nicht angemessen archivalisch erschlossen. In vielen Fällen lässt sich nicht mehr feststellen, wann und wie einzelne Fotos in das Archiv gelangt sind. Für eine sachlich korrekte Inventarisierung und Bearbeitung der fotografischen Quellen fehlt es an Personal; eine spezielle Ausbildung zum Umgang mit Fotos besitzen die Mitarbeiter des Archivs nicht.

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SS-Morde in der UdSSR. Bild fehlt.

Foto eines unbekannten Fotografen, “SS-Morde in der UdSSR” (ehemalige Beschriftung DÖW), Silbergelantineabzug 8,5 : 6 cm. DÖW Fotosammlung Inv.Nr. 3035a.

Eines der umstrittenen Fotos aus dem DÖW, welches in der Ausstellung “Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944″ zu sehen war. Im Zusammenhang der Kontroversen um die Ausstellung wurde behauptet, es handele sich auch bei diesem Foto um eine Fälschung. Dies konnte durch den Vergleich mit weiteren Aufnahmen von dieser Exekution, welche sich in Hamburg, Berlin und Warschau befinden, widerlegt werden: Es handelt sich um die Aufnahme aus dem damals deutsch besetzten Polen und zeigt die Opfer einer am 11.11.1939 von deutschen Polizeikräften in Lodz (”Litzmannstadt”) öffentlich durchgeführten Erhängung am 9.11.1939 (Datierung nach Hanno Loewy (Red.), “Unser einziger Weg ist Arbeit”. Das Getto in Lodz 1940-1944. Ausstellungsatalog des Jüdischen Museums Frankfurt am Main. Wien 1990, S. 148 und 277).
Ausführlicher: Miriam Y. Arani, “Und an den Fotos entzündete sich die Kritik”. Die “Wehrmachtsausstellung”, ihre Kritiker und die Neukonzeption. Ein Beitrag aus fotohistorisch-quellenkritischer Sicht. Fotogeschichte Heft 85/86 (2002),S. 105-112. (im Internet als PDF-Datei)

Dr. Piotr Swiatek (Köln): Zur Überprüfung der Authentizität von Fotografien mit modernen Bildverarbeitungsmethoden.

Dr. Piotr Swiatek von der Deutschen Gesellschaft für Photographie, Sektion Wissenschaft und Technik stellte neue Methoden zur Überprüfung der Authentizität von Fotografien mit modernen Bildbearbeitungsmethoden vor. Günstig für den Bearbeitungszeitraum Zweiter Weltkrieg sei im Unterschied zu den Bildern des digitalen Zeitalters die Tatsache, dass überwiegend ungefälschte Bildquellen auf einem materiellen Träger vorhanden sind. Generell ist es mit modernen Bildbearbeitungsmethoden nur möglich, eine Fälschung nachzuweisen, nicht aber die Authentizität einer Fotografie. Gewöhnliche Scanner mit 2400 dpi ermöglichen heutzutage eine Detailwiedergabe, die zur Bildanalyse ausreichend sind. So ermögliche die Fourieranalyse es festzustellen, ob zwei Fotos mit durchaus unterschiedlichen Ansichten zur gleichen Charge gehören oder nicht. Dies kann bei der historischen Einordnung von Fotos von Nutzen sein, da oftmals Unsicherheiten über die Zusammengehörigkeit von fotografischen Aufnahmen bestehen. Ferner existieren Verfahren zur Suche nach einzelnen Motiven, die zur schnelleren Sichtung und Sortierung von Fotomaterial eingesetzt werden können. Wasserzeichen können Fotografien im Internet vor einer unerlaubten Printweiterverarbeitung schützen, nicht aber vor einer weitergehenden Nutzung des Fotos im Netz.

Eine Zusammenfassung des Vortrags von Dr. Piotr Swiatek ist im Internet als PDF-Datei abrufbar.

Klaus Hesse (Berlin): Fotografien der öffentlichen Demütigung von sog. Rasseschändern in verschiedenen deutschen Archiven

Klaus Hesse von der Stiftung Topographie des Terrors besprach in seinem Vortrag Fotografien öffentlicher Demütigungen von sogenannten ”Rasseschändern”. Es handelte sich um Fotoaufnahmen, die dokumentieren, wie deutsche Frauen wegen ihrer Liebesverhältnisse mit ausländischen Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeitern vor allem in den Jahren 1940/ 41 in öffentlichen Machtdemonstrationen der lokalen Partei- und SS-Funktionäre öffentlich gedemütigt wurden. Die Aufnahmen zeigen an mittelalterliche Rituale erinnernde Spektakel vor den Augen einer lokalen Öffentlichkeit: den Frauen wurden “vor aller Augen” die Haare geschoren und sie wurden mit Schildern um den Hals durch die Stadt getrieben. Die besprochenen Fotos wurden aus den Beständen vieler kleiner lokaler Archive, vor allem in Südwestdeutschland, Sachsen und Thüringen, zusammen getragen und sind bisher nur im lokalen Rahmen veröffentlicht worden. Der Referent lenkte die Aufmerksamkeit insbesondere auf die detaillierte fotografische Protokollierung der Gestik und Mimik des Publikums bei diesen öffentlichen Demütigungen: Welche Auskunft geben die fotografischen Quellen über Zustimmung und Scham der einzelnen Menschen im Publikum? Die präsentierten Fotoaufnahmen dokumentierten sehr unterschiedliche Reaktionen von ausgelassener Freude bis hin zu ernster Anspannung in den Minen des Zuschauer. Zu berücksichtigen sei auch, dass nur ein Teil der örtlichen Bevölkerung solchen öffentlichen Demütigungen beiwohnte.

Veröffentlichung: Klaus Hesse, Philipp Springer, Vor aller Augen. Fotodokumente des nationalsozialistischen Terrors in der Provinz. Berlin 2002. S. 117-134.

Miriam Yegane Arani (Berlin): Fotografien aus dem besetzten Warschau 1939-42. Skizze zu den Entstehungszusammenhängen der fotografischen Quellen und zu einigen wichtigen Bildthemen im Vergleich

Miriam Arani skizzierte die unterschiedlichen Entstehungszusammenhänge der fotografischen Quellen und verglich einige wichtige Bildthemen des publizierten Bildmaterials. So sollten ab Herbst 1939 die Aufnahmen der Propagandakompanien der deutschen Wehrmacht vor allem bestehende Vorurteile über Polen verstärken und keine Sympathien für die militärisch Angegriffenen wecken (etwa durch das Zeigen von Leiden der Bevölkerung). Der Terror gegen die polnische Zivilbevölkerung ist überwiegend durch Fotoaufnahmen von den damals vor Ort befindlichen deutschen Polizeikräften dokumentiert.. Ein anderes Bild vom besetzten Warschau als die offiziellen deutschen Pressefotografien vermitteln auch die Privataufnahmen deutscher Soldaten. Die kleinen polnischen Fotobetriebe in der Stadt arbeiteten auf Anweisung der deutschen Besatzungsbehörden unmittelbar nach der Besetzung der Stadt weiter und stellten häufig heimlich Zweitabzüge der von Deutschen abgegebenen Fotos für den polnischen Widerstand her. In der zweiten Hälfte der Besatzungszeit entstand in Warschau eine systematisch organisierte oppositionelle polnische Dokumentarfotografie. Die Aussageabsichten der verschiedenen Herstellergruppen von Fotoaufnahmen lassen sich besonders deutlich anhand eines Vergleichs ihrer jeweiligen Aufnahmen vom Warschauer Getto unterscheiden. Die Fotos der Propagandakompanie 689 suggerieren ein sicheres und geordnetes Leben der Juden im Getto, sie zeigen würdevolle Beerdigungen auf dem jüdischen Friedhof und eine dekadente, vergnügungssüchtige Gettoelite, die mit Aufnahmen von Armen und Verelendeten im Getto kontrastiert wird. Die privaten Aufnahmen des deutschen Soldaten Heinrich Jöst dagegen zeigen ein völlig anderes Bild von den Verhältnissen im Getto: er protokolliert die große Armut, die Seltenheit von Wohlstand, Formen der Solidarität unter den Gettobewohnern und einen Friedhof, auf welchem die Toten in große Massengräber geworfen werden. Seine Themenwahl weist Parallelen auf zu den überlieferten Fotografien jüdischer Urheber, beispielsweise den im Ringelblum-Archiv überlieferten anonymen Aufnahmen.

Veröffentlichung: Miriam Y. Arani, Aus den Augen, aus dem Sinn? Publizierte Fotografien aus dem besetztem Warschau 1939 bis 1945. In: Fotogeschichte, Teil 1: Heft 65 (1997), S. 33-58; Teil 2: Heft 66 (1997), S. 33-50.

Dr. Danuta Jackiewicz (Warschau): Polnische Bildbände der Nachkriegszeit über die nationalsozialistische Besatzungszeit 1939-45.

Dr. Danuta Jackiewicz, die Leiterin der ikonographischen Sammlungen des Nationalmuseums Warschau und Vorstandsmitglied des Vereins der Fotohistoriker beim Kunstinstitut der Polnischen Akademie der Wissenschaften, referierte über polnische Bildbände der Nachkriegszeit zum Schicksals Warschaus im Zweiten Weltkrieg. Die in Polen veröffentlichten Bildbände behandelten vier Themen: die gesamte Besatzungszeit, das Warschauer Getto, den Warschauer Aufstand von 1944 und Warschau als Trümmerfeld nach dem Aufstand.

Zur gesamten Besatzungszeit liefert neben einigen Erscheinungen aus den 1950er Jahren das reichhaltigste Bildmaterial der 1989 in Warschau erschienene Bildband von Stanislaw Kopf “Lata Okupacji. Kronika fotograficzna walczacej Warszawy” (Die Jahre der Besatzung. Fotografische Chronik des kämpfenden Warschaus). Der Band enthält Fotos aus einschlägigen polnischer Einrichtungen und aus Privatsammlungen. Ein gravierender Mangel der Veröffentlichung sind die fehlenden Autorenverweise, obwohl oftmals die Urheber der Fotografien bekannt sind. Über das Warschauer Ghetto erschien 1963 zum 20. Jahrestag der erste Bildband in Polen, ein weiterer zum 45. Jahrestag 1988. Im Jahr 1997 erschien ein Bildband, der Archivaufnahmen von dem Getto mit aktuellen Fotos dieses Stadtviertels kontrastiert. Zum Warschauer Aufstand von 1944 durften erst nach der politischen ”Tauwetter” im Jahr 1956 Bildbände erscheinen. Bis dahin war das Thema vollständig tabuisiert. 1957 erschienen drei illustrierte Titel zum Thema. Die erste Monographie mit Fotos von Jerzy Tomaszewski, der während Warschauer Aufstands als Untergrundreporter arbeitete, wurde 1979 veröffentlicht (Jerzy Tomaszewski, Epizody Powstania Warszawskiego. Warszawa 1979). In den 1980er Jahren wurde das Thema durch die Solidarnosc-Bewegung endgültig enttabuisiert und weitere Bildbände wurden veröffentlicht.

Anschließende Diskussionen

Schon im Anschluss an die einzelnen Vorträge kam es zu zum Teil recht lebhaften Diskussionen. Kritik rief beispielsweise die Aussage hervor, ein Foto allein spräche nicht und würde nur durch das Wissen um den Kontext zum Sprechen gebracht. Gerade Fotos von Erschießungen, so das Gegenargument, sprächen auch ohne das Wissen um den Kontext auf stark emotionalisierende Weise zum Betrachter. Fotos seien immer Kommunikationsangebote, die auf verschiedenen Verstehensebenen funktionieren. In diesem Zusammenhang sei es wichtig, klare Kategorien zu entwickeln, die zwischen der ”harten” und ”weichen” Information eines Fotos, seiner Konnotation und Denotation unterscheiden und die ”eye-catcher-Wirkung” mit berücksichtigen. Die Diskussion drehte sich auch um die Frage, welche Rolle die Intention des Fotografen bei der Interpretation des Fotos spielt. Können Propagandafotos aus einem völlig anderen Blickwinkel betrachtet, “gegen den Strich gelesen” werden? Resümierend kam man zu dem Schluss, dass die Interpretation eines jeden Fotos allein dem Betrachter überlassen bleibt. Wichtig für die wissenschaftlich fundierte Beurteilung einer fotografischen Quelle sei aber das Wissen um den jeweiligen Entstehungs- und den Verwendungszusammenhang des Bildes. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass eine zu schnelle und unkritische Einordnung von Fotos häufig bei sogenannten ”common sense”-Fotos erfolge, Kritikfähigkeit dagegen meist nur bei den ohnehin strittigen Themen entwickelt würde.

Die Diskussion erstreckte sich auch auf den Umgang der Archive mit Fotosammlungen, den Problemen der wissenschaftlichen NutzerInnen und der speziellen Problematik der deutsch-polnischen Beziehungen. In diesem Zusammenhang wurde auf die Entschließung der Teilnehmer der Konferenz ”Das Photo als historische Quelle” des Hamburger Instituts für Sozialforschung im Juni 1999 Bezug genommen, die Empfehlungen an Archive und wissenschaftlichen NutzerInnen zum Umgang mit historisch relevanten Fotos aussprach. Martina Werth-Mühl vom Bundesarchiv Koblenz sagte, die Ziele dieser Entschließung seien so hoch gewesen, dass man sich nie bemüht hätte, sie wirklich in Angriff zu nehmen. Zum Beispiel sei die Forderung nach der Errichtung eines zentralen Nachweissystems, das Informationen über Bildbestände in Archiven, Museen und anderen Verwahrstellen ausweist, unrealistisch. In Norwegen gibt es eine zentrale Erfassungsstelle für historische Fotos, der Bildbestand ist wegen der geringen Einwohnerzahl des Landes aber auch entsprechend kleiner. Allein das Bundesarchiv besitzt ca. acht Millionen Fotos, bei welchen eine Einzelbilderfassung nicht zu leisten sei. Kleinere Museen, Archive oder Dokumentationsstellen haben historische Fotografien zum Teil in einer Art und Weise erschlossen, die den damals ausgesprochenen Empfehlungen näher kommt.

Hinsichtlich der wissenschaftlichen Nutzer von Bildquellen stellten die Tagungsteilnehmer fest, dass Historiker trotz vorhandener Methoden zur äußeren und inneren Kritik fotografischer Quellen vielfach weder das Interesse aufbringen noch die Fähigkeit besitzen, mit Bildern fachgerecht umzugehen. Audiovisuelles Quellengut spielt im Geschichtsstudium so gut wie keine Rolle. Nur in der Lehrerausbildung, so waren sich viele einig, seien in dieser Hinsicht erste Schritte gewagt worden, da im Schulbereich häufiger visuelle Medien genutzt werden als in den Universitäten. Eine Teilnehmerin plädierte dafür, die Kenntnisse und Erfahrungen von Museologen stärker zu berücksichtigen, da sie in ihrer Ausbildung die Möglichkeit zur Spezialisierung auf Fotoarchivierung erhalten.

Die deutsch-polnischen Kontakte zwischen Historikern und die gegenseitige Nutzung von Archiven ist seit 1989 stark angestiegen. In Polen gibt es keine tabuisierten Bestände mehr, auch wenn bürokratische Schwierigkeiten bei der Nutzung der Archive auftreten können. Die Frage, wie deutsche und polnische Historiker mit ihrem jeweils spezifischen Wissen bei der Dokumentation und Interpretation von historisch relevanten Fotos ergänzend zusammenarbeiten können, wurde nicht diskutiert. Doch deutete sich auf der Tagung die Entstehung neuer deutsch-polnischer Kooperationen im Hinblick auf Publikationsprojekte an. Auch der Austausch unter den Tagungsteilnehmern über technische Möglichkeiten zur Erfassung von Fotobeständen in Datenbanken erwies sich als sehr fruchtbar. So bot die Konferenz neben den inhaltlichen Informationen zu bereits bearbeiteten fotografischen Überlieferungen und der Wiederholung von schon oft beklagten Unzulänglichkeiten im Umgang mit Fotos gerade durch das Gespräch zwischen HistorikerInnen und ArchivarInnen neue Einsichten in die jeweiligen Probleme und realitätstüchtigere Vorstellungen von den jeweiligen Möglichkeiten. Für die Zukunft ist auf die Bearbeitung von weiteren Fotobeständen zu hoffen. Auch der Bedarf an einer Bibliographie zum Thema wurde deutlich.

Hinweise für Archivare und wissenschaftliche Nutzer historischer Fotografien

Entschließung vom 25. Juni 1999

der Teilnehmer der Konferenz “Das Foto als historische Quelle” des Hamburger Instituts für Sozialforschung vom 23. bis 25. Juni 1999 (Der ungekürzte Text ist abgedruckt in: Der Archivar, 52. Jg., Heft 4 (1999), S. 326f. und in: Fotogeschichte, 19. Jg., Heft 74 (1999), S. 74f.)

Ausgewählte Aussagen:

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz stimmen darin überein, “dass historische Fotoaufnahmen in Archiven, Museen und anderen Verwahrstellen vielfach noch immer nicht angemessen betreut und von der wissenschaftlichen Forschung nur unzureichend beachtet werden”. Aufgrund dessen werden folgende Empfehlungen an die Archivarinnen und Archivare sowie Nutzerinnen und Nutzer ausgesprochen:

Bei historischen Fotoaufnahmen sollten dokumentiert werden

  • die Herkunft,
  • der Entstehungszusammenhang,
  • der Fotograf,
  • die bisherige Überlieferungsgeschichte,
  • der heutige Standort.

Von den Archiven sollte die früheste überlieferte Fassung eines Bildes, möglichst das erste in der Kamera belichtete Negativ aufbewahrt werden. Von den wissenschaftlichen Nutzern sollte auf die früheste Überlieferungsform eines Bildes zurückgegriffen werden.

Bei der Veröffentlichung einer historischen Fotoaufnahme sollte auf die früheste überlieferte Fassung verwiesen und zu folgenden Punkten Aussagen gemacht werden:

  • zum Fotograf,
  • zur Verwahrstelle und deren Signatur,
  • zum Ort der Aufnahme,
  • zum Zeitpunkt der Aufnahme und
  • zum Entstehungszusammenhang der Aufnahme.

Diese Aussagen sollten gemacht werden, soweit die entsprechenden Informationen verfügbar sind oder mit vertretbarem Aufwand ermittelt werden können.

Archive und andere aus öffentlichen Mitteln geförderte Verwahrstellen sichern historische Aufnahmen als Kulturgut. Diese Sicherungsaufgabe darf nicht durch Kommerzialisierung gefährdet werden.

“Für historische Aufnahmen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs sollte ein geeignetes Nachweissystem als Modell aufgebaut werden, das Informationen über entsprechende Bildbestände in europäischen Archiven, Museen und anderen Verwahrstellen ausweist.”

Literaturhinweise (Auswahl deutsch- und polnischsprachiger Veröffentlichungen)

Allgemeine Literatur

  • Omer Bartov, Cornelia Brink, Gerhard Hirschfeld, Friedrich P. Kahlenberg, Manfred Messerschmidt, Reinhard Rürup, Christian Streit, Hans-Ulrich Thamer, Bericht der Kommission zur Überprüfung der Ausstellung “Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944″. Hamburg 2000 PDF-Datei (Acrobat Reader erforderlich)
  • Wolf Buchmann, “Woher kommt das Photo?” Zur Authentizitätsprüfung und Interpretation von historischen Fotoaufnahmen, in: Der Archivar, Heft 4, 1999, S. 296-306.
  • Diethart Kerbs, Methoden und Probleme der Bildquellenforschung. In: Revolution und Fotografie 1918/19. Ausstellungskatalog. Berlin 1989. S. 241-262.
  • Sybil Milton, Argument oder Illustration. Die Bedeutung von Fotodokumenten als Quelle. In: Fotogeschichte, Heft 28, 1988, S. 60-90.
  • Michael Sauer, Fotografie als historische Quelle. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Heft 10, Oktober 2002, S. 570-593.
  • Miriam Yegane Arani, “Und an den Fotos entzündete sich die Kritik”. Die “Wehrmachtsausstellung”, deren Kritiker und die Neukonzeption. Ein Beitrag aus fotohistorisch-quellenkritischer Sicht. In: Fotogeschichte, Heft 85/86, 2002, S. 97-124 PDF-Datei (Acrobat Reader erforderlich)

Pressefotografie:

  • Diethart Kerbs, Walter Uka, Brigitte Walz-Richter (Hrsg.), Die Gleichschaltung der Bilder. Zur Geschichte der Pressefotografie 1930-36. Berlin 1983
  • Martin Loiperdinger, Rudolf Herz, Ulrich Pohlmann (Hrsg.), Führerbilder. Hitler, Mussolini, Roosevelt, Stalin in Fotografie und Film. München 1995.
  • Ahlrich Meyer (Hrsg.), Der Blick des Besatzers. Propagandaphotographie der Wehrmacht aus Marseille 1942-1944. Bremen 1999.
  • Winfried Ranke, Fotografische Berichterstattung im Zweiten Weltkrieg. Wann wurde daraus Propaganda? In: Fotogeschichte, Heft 43, S. 61-75.

Private Fotografie:

  • Diethart Kerbs, Walter Uka, Brigitte Walz-Richter (Hrsg.), Die Gleichschaltung der Bilder. Zur Geschichte der Pressefotografie 1930-36. Berlin 1983
  • Martin Loiperdinger, Rudolf Herz, Ulrich Pohlmann (Hrsg.), Führerbilder. Hitler, Mussolini, Roosevelt, Stalin in Fotografie und Film. München 1995.
  • Ahlrich Meyer (Hrsg.), Der Blick des Besatzers. Propagandaphotographie der Wehrmacht aus Marseille 1942-1944. Bremen 1999.
  • Winfried Ranke, Fotografische Berichterstattung im Zweiten Weltkrieg. Wann wurde daraus Propaganda? In: Fotogeschichte, Heft 43, S. 61-75.

Publizierte Fotografien aus dem 1939-1945 deutsch besetzten Polen:

  • Bernd Boll, Das Adlerauge des Soldaten. Zur Fotopraxis deutscher Amateure im Zweiten Weltkrieg, In: Fotogeschichte, Heft 85/86; 2002, S.75-87.
  • Peter Jahn, Ulrike Schmiegelt (Hrsg.), Foto-Feldpost. Geknipste Kriegserlebnisse 1939-1945. Ausstellungskatalog. Berlin 2000.
  • Reinhard Rürup, Foto-Feldpost. Geknipste Kriegserlebnisse 1939-1945. Eröffnungsrede zur Ausstellungseröffnung im Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst vom 30. März 2000. In: WerkstattGeschichte, Heft 26, 2000. S. 71-78.
  • Timm Starl, Knipser. Die Bildgeschichte der privaten Fotografie in Deutschland und Österreich von 1880 bis 1980. Ausstellungskatalog. München 1995.
  • Publizierte Fotografien aus dem 1939-1945 deutsch besetzten Polen:
  • Florian Freund, Bertrand Perz, Karl Stuhlpfarrer, Farbdias aus dem Ghetto Lodz. In: Zeitgeschichte 18 (1990/91), S. 271-303
  • Joe J. Heydecker, Das Warschauer Getto. Foto-Dokumente eines deutschen Soldaten aus dem Jahr 1941. München 1983.
  • Władysław Jewsiewicki, Powstanie warszawskie 1944 okiem polskiej kamery. Warszawa 1989.
  • Jüdisches Historisches Institut Warschau (Hrsg.), Faschismus – Getto – Massenmord. Dokumentation über Ausrottung und Widerstand der Juden in Polen während des zweiten Weltkriegs. Berlin (DDR) 1960 [2. Auflage: 1961]
  • Friedrich Katzmann, Rozwiązanie kwestii żydowskiej w dystrykcie Galicja – Lösung der Judenfrage im Distrikt Galizien. Warszawa: Instytut Pamięci Narodowej 2001.
  • Ulrich Keller (Hrsg.), Fotografien aus dem Warschauer Getto. Berlin 1987.
  • Stanisław Kopf, Związek Polskich Artystów Fotografików (Hrsg.), Z kamerą w powstańczej Warszawie – 1944. Warszawa 1994.
  • 19.9.41. Dzień w getcie warszawskim. Instytut Pamięci Narodowej i Yad Vashem 1992.
  • “Unser einziger Weg ist Arbeit”. Das Getto in Lodz 1940-1944. Redaktion Hanno Loewy und Gerhard Schoenberner. Ausstellungskatalog. Wien 1990.
  • Warszawa w fotografii dr. Hansa-Joachima Gerke – Warschau 1940-1941 in: Fotos von Dr. Hans-Joachim Gerke. Wybór i opracowanie zdjęc – Auswahl und Bearbeitung der Fotos: Danuta Jackiewicz, Eugeniusz Cezary Król. Warszawa 1996.
  • Andrzej Wirth (Hrsg.), “Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr” [sog. Stroop-Bericht]. Neuwied 1960.
  • Ute Wrocklage, Fotografie und Holocaust. Annotierte Bibliographie. Frankfurt am Main 1998.
  • Miriam Yegane Arani, Aus den Augen, aus dem Sinn? Publizierte Fotografien aus dem besetztem Warschau 1939 bis 1945 Teil 1, Fotogeschichte, H. 65, S. 33-58; Teil 2, Fotogeschichte, H. 66, S. 33-50.
  • Wacław Żdżarski, Historia fotografii warszawskiej. Warszawa 1974.
  • Żydowski Instytut Historyczny i Muzeum Więzienia Pawiak (Hrsg.), Getto warszawskie 1940-1942. Zdjęcia wykonane przez ludność żydowską. Warszawa 1996.

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