8. bis 10. Juni 2005: Deutsch-polnische Geschichte 1939-1945 im Spiegel der Fotografie. Fachtagung über fotografische Quellen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs

im Wissenschaftliches Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Majakowskiring 47, 13156 Berlin-Pankow
in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Photographie e.V. Finanziert von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit.

Anläßlich des 60jährigen Kriegsendes führte die Deutsch-Polnische Akademische Gesellschaft e.V. in Zusammenarbeit mit der Polnischen Akademie der Wissenschaften eine wissenschaftliche Tagung durch, auf der deutsche und polnische Experten über Fotografien zur deutsch-polnischen Geschichte während des Zweiten Weltkriegs diskutierten. Wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse in seinem Grußwort zu der Tagung unterstrich, ist es ein schwieriges Unterfangen, Fotografien als historische Quellen im bilateralen Kontext sachlich korrekt zu interpretieren. Zugleich wächst die Bedeutung von historischen Fotografien als Dokumenten der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Die öffentlichen Kontroversen um einzelne Fotografien der ersten Ausstellung über die Verbrechen der deutschen Wehrmacht in Osteuropa des Hamburger Instituts für Sozialforschung haben die Fachwelt inzwischen dafür sensibilisiert, dass der Umgang mit Fotografien als historischen Quellen verbessert werden muss und dass eine sachlich korrekte Identifizierung von einigen Bildinhalten nur im Rahmen einer Länder übergreifenden Zusammenarbeit möglich ist. Vor diesem Hintergrund zielte die Tagung auf eine Verstärkung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit deutscher und polnischer Experten und auf eine gemeinsame Diskussion von methodischen Zugängen, herausragenden Bildbeständen und Bildthemen. Die thematischen Schwerpunkte der Tagung lagen auf der Frage nach dem angemessenen methodischen Zugang zum Bildmaterial, einer genaueren Eingrenzung von verschiedenen Herstellergruppen fotografischer Aufnahmen während des Krieges und Fotodokumenten von den nationalsozialistischen Verbrechen (Zwangsarbeit, Gettos, Lager). Polnische Referenten stellten neuere historische Ausstellungen über die Jahre 1939-1945 vor, darunter beispielsweise eine Ausstellung des Fotohistorischen Museums Krakau, die private Kriegsfotos deutscher und polnischer Soldaten zu parallelisieren sucht. Die Tagung wurde von Miriam Arani inhaltlich vorbereitet und in Zusammenarbeit mit Professoren der Polnischen Akademie der Wissenschaften moderiert.

Die einzelnen Beiträge:

Mittwoch, 8. Juni 2005

Dr. Piotr Swiatek, Physiker, Deutsche Gesellschaft für Photographie e.V.: Die Fototechnik der 30er und 40er Jahre und die Qualität der Fotografie als Dokument

Verglichen mit den heutigen Standards hat die Phototechnik der dreißiger und vierziger Jahre Erstaunliches vollbracht. Ebenso die Abzugstechniken: Obwohl die Abzüge per Hand gemacht wurden, haben sie eine sehr gute Reproduzierbarkeit und Haltbarkeit gezeigt. Obwohl es den Negativen – im Vergleich zu heute – an Empfindlichkeit fehlte, sind die damals unter „normalen“ Bedingungen gemachten Aufnahmen den heutigen ebenbürtig.
Der Vortrag wird an einigen Beispielen zeigen, dass die Photographie der Kriegszeit, als Informationsträger gesehen, als Zeitzeuge und Dokument den gleichen Wert wie die heutige Photographie besitzt.

Piotr Swiatek, geboren in Breslau, studierte Physik in Warschau und promovierte 1986 an der Universität Köln in Experimentalphysik. Er arbeitete bis 2000 als Wissenschaftler im Forschungszentrum Jülich. 1992 – 2004 war er Lehrauftragter im Fachbereich Photoingenieurwesen der Fachhochschule Köln, wo er zuletzt photographische Gerätetechnik und Sensitometrie unterrichtete. Seine besonderen Interessen gelten der Theorie der Farbe und der digitalen Photorekonstruktion. Er ist seit 1995 Mitglied bei DGPh. Zur Zeit ist Piotr Swiatek Science Officer im COST-Büro der European Science Foundation in Brüssel.

Dr. Petra Bopp, Kunsthistorikerin, DFG-Forschungsprojekt an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg: Mit der Kamera im Krieg. Einige methodische Überlegungen zur kunsthistorischen Betrachtung von Privatfotos der Wehrmachtssoldaten im Zweiten Weltkrieg.

Anonyme Fotoalben in Museen und privaten Sammlungen sowie namentlich fixierte Fotokonvolute sind Forschungsgegenstand des DFG-Projekts „Fremde im Visier. Zur privaten Fotografie der Wehrmachtssoldaten im Zweiten Weltkrieg.“ Aus diesem Untersuchungskomplex möchte ich mit einigen Beispielen unterschiedliche kunsthistorische Herangehensweisen beleuchten. Diese bislang vernachlässigte Quelle zur visuellen Rezeption des Zweiten Weltkriegs liegt im Schnittfeld verschiedener Disziplinen und kann mit mediengeschichtlichen, soziologischen und kunsthistorischen Ansätzen betrachtet werden. Die ästhetische Form des Fotos wird im Kontext ihrer politischen und kulturellen Prägung situiert. Das motivische Repertoire, die Formanalyse als auch der Narrationsraum des Albums geben Aufschluß über die Konstruktion von Erinnerung dieser Kriegsteilnehmer. Im Spannungsraum von privater und öffentlich professioneller Fotografie, von Alltagsmedien (Zeitungen, Bildbänden, Postkarten, Plakaten) sowie Kunstfotografie und Malerei verorten sich diese biografischen Spuren zu vielschichtigen symbolischen Formen.

Dr. Petra Bopp, Kunsthistorikerin, lebt und arbeitet in Hamburg und Oldenburg. Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Ethnologie in Hamburg. Promotion 1990 in Kunstgeschichte mit dem Thema „Die ästhetische Kolonisierung des Orients“. 1990-93 wiss. Mitarbeiterin in der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, Referat Bildende Kunst (1990-93). Lehraufträge am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg (1993-95, 2003). Koordinatorin der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ beim Hamburger Institut für Sozialforschung und beim Verein zur Förderung der Ausstellung „Vernichtungskrieg.“ e.V. (1995-2001). Seit April 2004 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „Fremde im Visier. Privatfotografie der Wehrmachtssoldaten im Zweiten Weltkrieg“ unter der Leitung von Prof. Dr. Detlef Hoffmann, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Publikationen (Auswahl): Viewing the photographs of Willi Rose, in: Thomas Eller (ed.), Shadows of War. A German Soldier’s Lost Photographs of World War II, New York, Abrams 2004; „Hier ging der Krieg nicht spurlos vorbei.“ Konstruktionen von Erinnerung in den Fotoalben eines Wehrmachtssoldaten, in: Detlef Hoffmann, Kunst nach dem Krieg, Rehberg-Loccum 2004 (Loccumer Protokolle 72/03), S. 211-225; Orientalismus im Bild. 1903: Rudolf Lehnerts erste Fotoexkursion nach Tunesien und die Tradition reisender Orientmaler, in: Alexander Honold, Klaus R. Scherpe (Hg.), mit Deutschland um die Welt. eine Kulturgeschichte des Fremden in der Kolonialzeit, Stuttgart 2004, S. 288-299; Fremde im Visier. Private Fotografien von Wehrmachtssoldaten, in: Anton Holzer (Hg.), Mit der Kamera bewaffnet. Krieg und Fotografie, Marburg 2003, S. 97-117; Les images photographiques dans les expositions sur les crimes de la Wehrmacht ou comment l’histoire devient intime, in: Sophie Wahnich (Hg), Fictions d’Europe, Paris 2003, S. 189-209 ; Für eine Philologie des Auges, in: Wolfgang Ernst, Anselm Franke (Hg), Politik der Bilder. Visuelle Kompetenz und Kriegsbildrhetorik, Berlin 2002, S. 44-61; „Wo sind die Augenzeugen, wo ihre Fotos?“, in: Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg), Eine Ausstellung und ihre Folgen, Hamburg 1999, S. 198-229.

Dr. Cord Pagenstecher, Geschichtswerkstatt Berlin e.V.: Private Fotografien von Zwangsarbeitern in Berlin

Privatfotos ehemaliger ZwangsarbeiterInnen waren der Forschung bis vor wenigen Jahren weitgehend unbekannt. Knipsen im Lager – ist das nicht ein Widerspruch in sich? Tatsächlich konnte die Berliner Geschichtswerkstatt durch Briefsendungen ehemaliger ZwangsarbeiterInnen und durch Recherchen in den Archiven der Betroffenenverbände zahlreiche private Fotografien aus Berliner Zwangsarbeiterlagern sammeln. Das Archiv der Berliner Geschichtswerkstatt enthält über 1000 Fotos, davon etwa 150 von polnischen ZivilarbeiterInnen, teils selbst geknipste Bilder und Schnappschüsse von KameradInnen, teils Erfassungsfotos sowie Porträts und Gruppenbilder von deutschen Profifotografen. Es handelt sich also um zeitgenössische Bilder, die von ZeitzeugInnen aufbewahrt und ausgesucht wurden.
Eine Analyse dieser Bilder nach ihrem Entstehungs- und Aufbewahrungskontext, also den begrenzten Fotografiermöglichkeiten unter den Bedingungen der Zwangsarbeit sowie den spezifischen biografischen Funktionen privater Fotografie, erklärt den thematischen Schwerpunkt der Fotos in den Bereichen Freizeit und Lagerleben. Genauer betrachtet wird dann, wie die polnischen ZwangsarbeiterInnen das Leben in Baracke und Lager, diesen Alltag im Ausnahmezustand, wahrgenommen und fotografisch dargestellt haben.

Dr. Cord Pagenstecher, Historiker, geb. 1965, wohnt in Berlin. Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Berliner Geschichtswerkstatt (seit 1989), der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück (1998 – 2000) und der Entschädigungsbehörde des Landes Berlin (seit 2001), Vorsitzender des Fördervereins für ein Dokumentations- und Begegnungszentrum zur NS-Zwangsarbeit in Berlin-Schöneweide. Publikationen (Details unter www.cord-pagenstecher.de) u.a.: Arbeitserziehungslager Fehrbellin. Zwangsarbeiterinnen im Straflager der Gestapo, hrsg. von der Berliner Geschichtswerkstatt (Brandenburgische Historische Hefte der Brandenburgischen Landeszentrale für Politische Bildung, 17), Potsdam 2004 (Mitarbeit); Der bundesdeutsche Tourismus. Ansätze zu einer Visual History: Urlaubsprospekte, Reiseführer, Fotoalben, 1950 – 1990, Hamburg 2003 (zugl. Diss. FU Berlin); Vom vergessenen Lager zum Dokumentationszentrum? Das ehemalige NS-Zwangsarbeiterlager in Berlin-Schöneweide, in: GedenkstättenRundbrief Nr. 111, März 2003, S. 3 – 13 (zusammen mit Gabriele Layer-Jung), auch unter http://www.zwangsarbeit-in-berlin.de abrufbar; Erfassung, Propaganda und Erinnerung. Eine Typologie fotografischer Quellen zur Zwangsarbeit, in: Reininghaus, Wilfried / Reimann, Norbert (Hrsg.), Zwangsarbeit in Deutschland 1939 – 1945. Archiv- und Sammlungsgut, Topographie und Erschließungsstrategien, Bielefeld/Gütersloh 2001, S. 254 – 266; Privatfotos ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter – eine Quellensammlung und ihre Forschungsrelevanz, in: Meyer, Winfried / Neitmann, Klaus (Hrsg.), Zwangsarbeit während der NS-Zeit in Berlin und Brandenburg. Formen, Funktion und Rezeption, Potsdam 2001, S. 223 – 246; Zwangsarbeit in Berlin 1940 – 1945. Erinnerungsberichte aus Polen, Weißrußland und der Ukraine, hrsg. von der Berliner Geschichtswerkstatt, Erfurt 2000 (Mitarbeit); Knipsen im Lager? Privatfotos eines niederländischen Zwangsarbeiters im nationalsozialistischen Berlin, in: Fotogeschichte, 18 (67). 1998, S. 51 – 60; Vergessene Opfer – Zwangsarbeit im Nationalsozialismus auf öffentlichen und privaten Fotografien, in: Fotogeschichte, 17 (65). 1997, S. 59 – 72.

Danuta Jackiewicz, Leiterin der ikonografischen Abteilung des Polnischen Nationalmuseums, Warschau: Kriegsfotografien von Stefan Plater-Zyberk (1891-1943)

Stefan Plater-Zyberk (1891, Kurtowiany – 1943, Auschwitz) gehört zum Kreis der herausragenden polnischen Fotografen der Zwischenkriegszeit. Nach dem Studium an der Warschauer Kunsthochschule widmete er sich seiner geliebten Fotografie, die er schon seit der Zeit vor dem ersten Weltkrieg als Amateur betrieb. 1927 gründete er an der Długastr. 42 in Warschau die private Fotoagentur PHOTO-PLAT, die die in- und ausländische Presse mit aktuellen Fotos belieferte. Am bekanntesten ist er aufgrund seiner Landschaftsfotografie, die er 1926 in der Ausstellung „Das Schöne Polen“ vorstellte. Er verewigte für die Nachwelt die Landschaftsbilder von Polesie, dem Huzulenland (Ostkarpaten), Podhale, der Gegend um Vilnius und Schlesien. An Schlesien reizte ihn besonders die Industrielandschaft, ein damals modernes Thema, geschätzt von Künstlern ebenso wie von der staatlichen Propaganda. Von der herausragenden Position Stefan Plater-Zyberks unter den zeitgenössischen Fotografen zeugt auch seine Mitgliedschaft im elitären Polnischen Foto-Klub.
Nach dem Überfall des faschistischen Deutschland auf Polen fotografierte Stefan Plater-Zyberk weiter. Er führte auch sein Fotogeschäft weiter, für eine Abteilung des polnischen Geheimdienstes. Den Krieg überlebte er nicht. Er teilte das Los vieler bedeutender polnischer Fotografen, die in den Vernichtungslagern umgebracht worden sind. Seine Fotos, mit der Familie über die ganze Welt verstreut, sind jetzt sorgfältig zusammengefaßt, um etwas über das Schicksal von Stefan Plater-Zyberk herauszubekommen und die Geschichte vieler Fotos aus dem okkupierten Warschau zu enträtseln.
Gegenstand der Präsentation und Analyse werden Kriegsfotografien aus dem Familienarchiv Plater-Zyberk sein.

Danuta Jackiewicz, 1978 Abgeschlossenes Studium an der geschichtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Warschau. Seit 1979 Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Nationalmuseum Warschau in der Abteilung Ikonographische und Photographische Sammlungen. 1990 Erarbeitung und Präsentation der ersten Ausstellung der umfangreichen und bedeutenden Photosammlungen des Nationalmuseums Warschau mit dem Titel Die Kunst des Photographierens. Portrait, Landschaftsmalerei, Reportage in der polnischen Lichtbildnerei des 19. Jh. . Seit 1991 Kuratorin der Ikonographischen und Photographischen Sammlungen im Nationalmuseum Warschau. 1995 Organisation und Präsentation der Ausstellung und Erarbeitung des Ausstellungskatalogs Warschau 1940-1941 in Fotografien von Dr. Hans-Joachim Gerke. Seit 2000 Vorlesungen zur Geschichte der Lichtbildnerei im Kunst-Institut der Universität Warschau.

Donnerstag, 9. Juni 2005

Dr. Michael Hollmann, Bundesarchiv, Koblenz: Fotografien aus Polen 1939-45 in den Bildbeständen des Bundesarchivs

Die Aufgabe der Archive im Bereich der Interpretation von Fotografien als historische Quellen liegt neben der Sammlung, Sicherung und Bereitstellung der Fotografien selbst in der Schaffung der quellenkritischen Beurteilungsgrundlagen. Dazu gehört insbesondere die möglichst präzise Dokumentation der Entstehungskontexte und der Überlieferungsgeschichte. Eine kontextbezogene Erschließung, wie das im Archivwesen allgemein anerkannte Provenienzprinzip diese für Archivgut aller Quellentypen postuliert, ist im Bereich der Fotografien deutlich schwieriger zu realisieren als bei Schriftgut, sie ist dennoch eine entscheidende Voraussetzung.
Das Bundesarchiv ist mit mehr als 10 Millionen Fotografien eines der größten historischen Bildarchive in Deutschland. Die Bestände reichen von der Zeit der Einigung Deutschlands unter preußischer Führung zum Deutschen Reich bis hin zur Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1990. Meist handelt es sich um Provenienzbestände im eigentlichen Sinne der Definition. Der größte Bestand Bild 183 ADN-Zentralbild mit mehr als 3,5 Millionen Fotos enthält jedoch neben den im Auftrag der ADN produzierten Fotos auch erworbene Sammlungen, wie z.B. auch den größeren Teil der früheren Berliner Bildagentur Scherl, vor 1945 eine der größten Bildagenturen Europas. Weitere Hauptbestände sind der Bestand B 145 Bild (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung) mit mehr als 1 Million Fotos und Bild 101 (Propaganda-Kompanien der Wehrmacht und der Waffen-SS).
Das Bundesarchiv ist derzeit im Begriff, seine Bildbestände sukzessive mit Hilfe einer seit Januar 2005 sich im Wirkbetrieb befindenden Bild-Datenbank zu erschließen und – zumindest in einer repräsentativen Auswahl – ab Frühjahr 2006 auch online über das Internet zur Verfügung zu stellen. Damit soll zum einen der Zugang zu den Bildquellen erleichtert, zum anderen aber auch ein verbesserter Authentizitätsnachweis geboten werden. Wenn das Bundesarchiv alle Fotos, die für Veröffentlichungszwecke an Benutzer herausgegeben werden, auch im Internet vorlagengetreu und mit den zugehörigen Metadaten veröffentlicht, können solche Bilder künftig nicht mehr, wie dies häufiger vorkommt, unbemerkt durch die Betrachter durch Veränderung der Bildausschnitte oder eine abweichende Zuordnung der Fotos manipuliert werden.
Der Bestand Bild 101 Propaganda-Kompanien zählt zu den am meisten benutzten Bildbeständen des Bundesarchivs. Wie die Diskussionen um die sogenannte „Wehrmachtsausstellung“ gezeigt haben, müssen die quellenkritischen Rahmenbedingungen in diesem Fall mit besonderer Sorgfalt in die Bildinterpretation einbezogen werden. Nach einer Odyssee durch das Gebiet zwischen heranrückenden amerikanischen und sowjetischen Truppen wurde ein Drittel – ca. 1,1 Millionen Fotos – der ursprünglich ca. 3,5 Millionen Fotografien durch amerikanische Truppen beschlagnahmt; viele Fotos gingen verloren. Wie eine beträchtliche Teilmenge der PK-Fotos in die Verfügung der französischen Streitkräfte gelangte, lässt sich derzeit noch nicht nachvollziehen; das ECPA-D in Paris-Fort d’Ivry verwaltet heute mehr als 300.000 PK-Fotos. 1962 wurden die zwischenzeitlich in die USA verbrachten Fotos an die Bundesrepublik zurück- und dem Bundesarchiv übergeben.
Im Bundesarchiv wurden die PK-Fotografien entsprechend ihrer Provenienz den Teilbeständen Bild 101 I (Heer und Luftwaffe), Bild 101 II (Marine) und Bild 101 III (Waffen-SS) zugeordnet. Während der Teilbestand Bild 101 III „nur“ aus Alben mit Kontaktabzügen besteht, sind von den PK des Heeres, der Luftwaffe und der Marine die originalen Negative auf Nitrozellulose-Basis in das Bundesarchiv gelangt. Hier wurden sie auf Sicherungsfilm im Mikroficheformat umkopiert und ein Teil der explosiven Nitrofilme aus Sicherheitsgründen vernichtet. Für Benutzungszwecke wurden von den Sicherungsfilmen Kontakt-Abzüge hergestellt. Die PK-Fotos der Waffen-SS werden dagegen durch die Vorlage der Alben zugänglich gemacht.
Die Bestände sind bislang nur provisorisch erschlossen worden. Der Zugang erfolgt derzeit über eine vergleichweise grobe Auflistung der Filminhalte, die nur für die Bestände Bild 101 II (Marine) und Bild 101 III (Waffen-SS) etwas detaillierter ist. Immerhin konnten mehr als 1200 Fotografen aus 94 PK-Einheiten identifiziert und für ca. 30000 Filme das Einsatzgebiet ermittelt werden, in dem die PK eingesetzt war.
Über diese provisorischen Findmittel konnten dennoch 818 Filme von 10 PK-Einheiten ermittelt werden, die während des Zweiten Weltkriegs in Polen zwischen September 1939 und Juli 1941 belichtet wurden. Zeitlich verteilen sie sich wie folgt: 1939: 391 Filme, Winter 1940/41: 52 Filme, 1941: 375 Filme.
Außer dem originalen Ausgangsmaterial des Bestands Bild 101 sind auf verschiedenen Wegen zahlreiche Agentur-Abzüge von PK-Fotografien in das Bundesarchiv gelangt. Soweit dies vor 1994 geschah, wurden sie dem sachthematischen „Referenzbestand“ Bild 3 zugeordnet und entsprechend einer sachlich-chronologischen Klassifikation geordnet. Mit dem Bestand Bild 183 ADN kamen auch die Bildbestände der früheren Agentur Scherl zu einem großen Teil in das Bundesarchiv, darunter auch zahlreiche PK-Fotos. Diese Agentur-Abzüge tragen meist und im Gegensatz zu den Ausgangsmaterialien auf der Rückseite die offiziellen Bildtexte, die nicht nur das Motiv beschreiben und das Aufnahme- oder Ausgabedatum eines Bildes angeben, sondern auch wichtige Hinweise auf die intendierten Interpretationen der PK-Fotos geben.
Ein Abgleich der Agentur-Abzüge mit den Ausgangsmaterialien wurde bislang nicht durchgeführt, so dass derzeit keine Aussage möglich ist, wie viele der im Frühjahr 1945 verloren gegangenen PK-Fotografien auf dem Weg über die Agenturen doch erhalten geblieben sind.

Dr. Michael Hollmann, geb. 1961 in Aachen; Schule und Abitur in Koblenz; Studium der Geschichte, Germanistik und Theologie in Mainz; Promotion in Mittlerer und Neuerer Geschichte über das Mainzer Domkapitel im späten Mittelalter (1988); Archivreferendariat im Bundesarchiv und an der Archivschule Marburg 1989-1991; seit 1991 Referatsleiter im Bundesarchiv auf verschiedenen Funktionen, seit Jan. 2004 als Leiter des Bildarchivs des Bundesarchivs in der Hauptdienststelle des Bundesarchivs in Koblenz; Publikationen: u.a. 2 Bände im Rahmen der Edition der Kabinettsprotokolle der Bundesregierung und Quellenkunde zur Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Wiss. Buchgesellschaft).

Dr. Bernd Boll, Historiker, Freiburg: Das Bild als Waffe. PK-Fotografien als Quelle für den Zweiten Weltkrieg.

(Überarbeitete Veröffentlichung des Vortrags: ders., Das Bild als Waffe. Quellenkritische Anmerkungen zum Foto- und Filmmaterial der deutschen Propagandatruppen 1938-1945. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (2006) Heft 11, S. 974-998).

Dr. habil. Maria Rutowska, Historikerin, West-Institut, Poznan: Die Fotosammlung in den Beständen des Archivs des II Weltkrieges im Westinstitut Poznań

Die Entstehungsgeschichte des Archivs des II Weltkrieges ist verbunden mit den wissenschaftlichen Forschungsarbeiten einer im Westinstitut 1945 neu gegründeten Sektion, der späteren Abteilung zur Erforschung der deutschen Okkupation Polens. Den Grundbestand des Archivs stellen 1945-1948 gesammelte Dokumente und Fotografien dar.
In den folgenden Jahren konnten die Bestände dank der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und Spenden von Privatpersonen erweitert werden. In letzter Zeit wurde das Archiv mit seinen deutschen und polnischen Dokumenten, aber auch mit Tagebüchern, Zeugenvernehmungsprotokollen, Materialien aus den Forschungsarbeiten und andere Materialien, die einen archivalischen Wert haben, neu geordnet und aufgearbeitet. Der Bestand umfasst ca. 3.000 inventarisierte Positionen.
Ein integrativer Bestandteil des Archivs ist seine Fotosammlung mit ca. 8.000 Stück. Sie entstand durch Spenden anderer Institutionen und Privatpersonen, nur einige wenige Teile sind käuflich erworben worden. Zu 95% sind die Bilder deutscher Herkunft, die übrigen 5% polnischer Herkunft.
Von den rund 70% der Bilder, die die Kriegszeit und deutsche Okkupation darstellen, betreffen ca. 60% das Generalgouvernement (GG) und 40% die vom Reich annektierten Gebiete. Die restlichen 30% betreffen das III. Reich oder andere okkupierte Staaten Europas.
Alle gesammelten Fotografien kann man in neun systematische Themenfelder einordnen:

  • die Septemberkampagne 1939 sowie die Kriegsereignisse auf den polnischen Gebieten 1945
  • die Lebensbedingungen der polnischen und ukrainischen Bevölkerung sowie der Deutschen im Generalgouvernement
  • die sowjetischen Verbrechen in Katyn 1940
  • das Kriegsgeschehen in Europa, das III. Reich
  • die deutsche Bevölkerung im Warthegau und in anderen vom Reich annektierten polnischen Gebieten
  • die Lage der polnischen Bevölkerung im Warthegau, darin die Aussiedlung von Polen und Juden ins Generalgouvernement
  • die deutschen Verbrechen an der polnischen Bevölkerung, auch Vernichtungs- und Konzentrationslager
  • der Warschauer Aufstand 1944
  • Partisanenaktionen der Armia Krajowa

Dr. habil. Maria Rutowska, Historikerin, Westinstitut Poznań, wichtigste Publikationen: Straty osobowe i materialne kultury polskiej w latach II wojny światowej. W-wa/Poznań 1984 (Personen- und materielle Schäden an der polnischen Kultur in den Jahren des II. Weltkrieges); Losy polskich środowisk artystycznych 1939-1945. Architektura, sztuki plastyczne, muzyka i teatr. Poznań 1997 (Schicksale der polnischen Künstler); Wysiedlenia ludności polskiej z Kraju Warty do Generalnego Gubernatorstwa 1939-1941. Poznań 2003(Aussiedlung der polnischen Bevölkerung des Warthegaus ins GG).

Dr. Marek Budziarek, Leiter der Abteilung Geschichte und Kultur im Museum der Stadt Lodz: Archiv des Verbrechens. Fotografien aus dem Getto Lodz 1940-1944.

Das Ghetto Łódź – ein besonderer Ort in der gesamten Geschichte des okkupierten Europas – hinterließ als Institution wie auch als in ihm eingeschlossenen Gesellschaft historische Quellen. Das sind vor allem umfangreiche, hervorragende Sammlungen aus der jüdischen und faschistischen Verwaltung. Außerdem blieben zahlreiche Handschriften, materielle Güter und eine Fotosammlung erhalten. Diese Materialien sind natürlich entsprechend Charakter und Technik, künstlerischer Qualität etc. sehr unterschiedlich. Sie zeigen jedoch ein umfassendes Bild des Geschehens und Funktionierens im „Wohngebiet der Juden in Litzmannstadt”.
Die gegenwärtige Fotosammlung des Ghettos schätzt man auf einen Umfang von über 7.500 Objekten. Die Schöpfer der meisten Fotos sind zwei namhafte jüdische Fotografen: Mendel Grosman und Henryk Ross. Von der Gründung des Ghettos an zeigten sie das propagandistische Bild der Ghettoverwaltung, und gleichzeitig – illegal – hielten sie die dramatischen Ereignisse im Todesbezirk, den Holocaust im Ghetto Łódź fest. Die jüdischen Fotografen waren sich darüber bewusst, dass sie ein Material schaffen für die Nachwelt, ein Material, das die Verbrechen am jüdischen Volk dokumentieren sollte. Dagegen sind die farbigen Dias des Österreichers Walter Genewein ausschließlich eine Vision des Funktionierens eines Musterghettos im Dienste des Nationalsozialismus, eine Vision, wie sie der Chef der Ghettoverwaltung Hans Biebow gerne zeigen wollte. Außer diesen drei namentlich bekannten Fotografen gab es im Apparat noch Deutsche und Polen, deren Namen jedoch unbekannt sind. Die Gründe ihres Fotografierens sind wenig lesbar und man muss annehmen, dass sie meistens dokumentarische Zwecke verfolgten.
Die Fotos aus dem Ghetto Łódź hatten schon zu Zeiten des zweiten Weltkrieges und der Okkupation ein Eigenleben. Sie wurden präsentiert auf Konferenzen der nazistischen Verwaltung, waren der Stolz der Faschisten bei der „Endlösung der Judenfrage in Litzmannstadt”. Aber auch die im Ghetto eingeschlossenen Bevölkerung wusste um den unschätzbaren historischen Wert der Bilder.

Dr. Marek Budziarek (geb. 1951), Dr. theol. (Kirchengeschichte), Journalist, Sachbearbeiter im Museum der Geschichte der Stadt Łódź, Dozent für Kirchengeschichte am Theologischen Institut „Bobolanum” inWarschau. Autor dutzender Buchbeiträge und vieler Artikel, Rezensionen etc. zu Neuester Geschichte, zum Zweiten Weltkrieg, Okkupation und Ghetto Łódź .

Ute Wrocklage, Fotohistorikerin, Hamburg: Fotografische Quellen aus dem Lager Auschwitz: Bauleitung, Erkennungsdienst, Widerstand.

(kein Abstract vorhanden)

Michalina Wysocka, Leiterin des Büros zur Archivierung und Nutzung der Dokumente des Institut des Nationalen Gedenkens, Warschau: Über die Sammlung von Fotografien aus den Jahren der Besatzungszeit 1939-45 im Institut des Nationalen Gedenkens.

(kein Abstract vorhanden)

Agnieszka Luczak und Dr. Aleksandra Pietrowicz, Institut des Nationalen Gedenkens (OBEP IPN Abt. Poznań/Posen): Die Ausstellung „Das Alltagsleben im besetzten Großpolen 1939-1945 – Konzeption und Vorbereitung

Die Ausstellung, konzipiert von der Posener Abteilung des Büros für Öffentliche Bildung im Institut für Nationales Gedenken, wurde zum ersten Mal im Februar 2003 gezeigt. Seitdem war sie in 15 Städten der Wojewodschaften Großpolen und Lebus zu sehen. Wir erstellten das allgemeine Konzept, führten eine Quellenrecherche durch und sammelten die Mehrzahl der ausgestellten Exponate. In die Quellenrecherche bezogen wir das Archiv Neuer Akten in Warschau, das Archiv und die Bibliothek in Posen, die öffentliche Bibliothek in Oborniki sowie zehn Museen in Posen und Großpolen mit ein. Des weiteren durften wir auf Sammlungen von Privatpersonen zurückgreifen.
Der Zeitrahmen der Ausstellung umfasst die gesamte Besetzung Großpolens durch das NS-Regime, sprich: September 1939 bis Februar 1945. Bezüglich des Territoriums beschränkten wir uns auf das Gebiet der Wojewodschaft Posen in den Grenzen der Vorkriegszeit.
Unser Ziel war es, die alltäglichen Lebensumstände der Bevölkerung im besetzten Großpolen darzustellen und zu zeigen, wie Krieg und politische Führung der Bevölkerung ihren Stempel aufdrückten. Wir wollten das größtmögliche Spektrum an Aspekten des Alltagslebens jenes Gebietes darstellen, das der Gauleiter Arthur Greiser selbst als „Mustergau“ bezeichnete. Dargestellt werden sollte die Konfrontation zwischen Polen und Deutschen im Alltagsleben in ihren verschiedensten Aspekten, sowohl in der Großstadt, als auch in der Kleinstadt und auf dem Dorf. Das gesammelte Foto- und Dokumentationsmaterial umfasst solche Lebensbereiche wie: die materielle Situation (so zum Beispiel von Eltern und ihren Kindern, Arbeits- und Urlaubsbedingungen, die Versorgungs- und Wohnungssituation sowie Gesundheits- und Sozialämter), Kommunikation und Gemeinschaft, demografischer Wandel, religiöses Leben, Bildung, Lehre, Kultur, Spiel und Sport. Alle diese Lebensbereiche wurden durch die Politik der Besatzer beeinflusst, selbst gewöhnliche Alltagsbereiche waren immer auch betroffen von Problemen wie Aus- und Umsiedlung, Germanisierung und Diskriminierung, Terror und Ausrottung. Diese Politik bestimmte auch die Regeln des Zusammenlebens von deutscher und polnischer Bevölkerung. Sowohl die sich irgendwo weit entfernt abspielenden Kämpfe des Krieges und der Diplomatie, wie auch das Martyrium und der Kampf des polnischen Untergrunds bilden den Hintergrund des grauen Alltags, einen wohlgemerkt eminent wichtigen Hintergrund.
Um das Alltagsleben im besetzten Großpolen möglichst vollständig und objektiv darstellen zu können, bedienten wir uns verschiedener Arten von fotografischen Quellen, und zwar: Fotografien mit offiziellem Charakter, Propagandafotos (Presse, Sonderausgaben, Dokumentationen deutscher Propagandastellen), Fotografien aus privaten Quellen, die insbesonders in Regionalmuseen gesammelt wurden (polnische und deutsche), sowie Fotos, die im polnischen Untergrund entstanden. Zur Vervollständigung des Bildes der Okkupationszeit dienten Postkarten aus der Zeit der Besatzung, die über Menschen, Objekte und Orte Aufschluss geben.
In der Ausstellung werden des weiteren Dokumente, Formulare und amtliche Bekanntmachungen, Alltagsgegenstände, Pressefragmente und private Korrespondenzen gezeigt.

Agnieszka Łuczak, Historikerin, Absolventin der Historischen Fakultät der Adam-Mickiewicz-Universität Posen, ist seit 2000 Mitarbeiterin der Posener Abteilung des Büros für Öffentliche Bildung im Institut für Nationales Gedenken. Seit vielen Jahren widmet sie sich Themen wie dem Verlust des Kulturerbes des Landadels sowie der katholischen Kirche in Großpolen in der Zeit der Nazi-Okkupation 1939-1945. Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen, die sich mit adeligen Gutshäusern und -höfen in Großpolen und deren Schicksal im Krieg beschäftigen. Zuletzt publizierte sie: Verluste kirchlichen Kulturgutes im Wartheland während der Okkupation, in: S. Jankowiak, J. Milosz: Die Geschichte der katholischen Kirche in Großpolen und in Westpommern, Poznan 2004 sowie Wertvoll, Unbezahlbar, Verloren, in: Dr. hab. Andrzej Kwileckiego: Großpolnischer Landadel. Im aristorkratischen Kreise, Poznań 2004. Sie ist Mitgestalterin der Ausstellung Alltagsleben im besetzten Großpolen 1939-1945, die seit 2002 in zahlreichen Städten Großpolens gezeigt wurde. Für ihre Forschungsarbeit zur Problematik des verlorenen Kulturerbes erhielt sie 2004 ein Stipendium des Polnischen Ministeriums für Kultur.

Aleksandra Pietrowicz, Absolventin der Historischen Fakultät der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen, arbeitet seit 2001 in der Posener Abteilung des Büros für öffentliche Bildung im Institut für Nationales Gedenken. Sie beschäftigt sich allem voran mit der Geschichte der Besetzung Großpolens in den Jahren 1939-1945 und der Teilnahme von Bürgern Großpolens in den Strukturen des polnischen Untergrundstaates. Sie publizierte u.a. Die informelle und dokumentierende Tätigkeit der Hauptdelegatur der Regierung der Polnischen Republik für die dem Dritten Reich einverleibten Gebiete, in: W. Grabowski: Die informelle Tätigkeit des polnischen Untergrundstaates, S. 42-57, sowie Die Beteiligung der Frauen an der Organisatioon „Ojczyzna“ (Vaterland) 1939-1945, in: Elżbieta Zawacka, Materialien zur populärwissenschaftlichen Sitzung in Thorn, Teil 2: Referate und Reden, Thorn 1998. Sie war Mitherausgeberin des Bandes „Ojczyzna“ 1939-1945. Dokumente, Erinnerungen, Publikationen, Posen 2004 (mit Z. Mazur) und der Berichte aus den dem Dritten Reich einverleibten Gebieten (1942-1944), Posen 2004 (mit M. Rutowska und Z. Mazur). Ferner verfaßte sie Sach- und Personenbeiträge in der Enzyklopädie des Großpolnischen Widerstands 1939-1945 unter der Redaktion von M. Woźniak, Posen 1998. Sie ist Mitgestalterin der Ausstellung Alltagsleben im besetzten Großpolen 1939-1945.

Freitag, 10. Juni 2005

Andrzej Rybicki, Museum für Fotografiegeschichte, Krakau: Die Ausstellung “Barrieren überwinden – Brücken bauen. Der Krieg in den Fotografien eines deutschen und eines polnischen Soldaten”.

Im Juni 2004 präsentierte das Museum der Fotografiegeschichte in Krakow die Ausstellung „Barrieren brechen – Brücken bauen. Der Krieg in den Fotografien von deutschen und polnischen Soldaten“. Es wurden 4 Sammlungen von Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg gezeigt, Fotos von dem Obergefreiten Helmut Riemann, von Unteroffizier Tadeusz Szumański, von Oberleutnant Dr. med. Czesław Elektorowicz sowie Fotos aus dem okkupierten Zeitungs-Verlag Krakau-Warschau. Der Ausstellungsarchitekt versuchte darzustellen, wie gewöhnliche Soldaten, in die Kriegswirren oft gegen ihren Willen verwickelt, den Krieg durch das Objektiv einer Kamera sahen.
Die ausgestellten Sammlungen sind eine Dokumentation des Kriegspfades ihrer Autoren. Die dazugehörigen Daten wurden erzählt, so als ob es zu vermeiden gelte, die Bildunterschrift in Konkurrenz zum Bild zu setzen. Das Bild des Krieges, aufgenommen von seinen Teilnehmern, tritt genauso stark hervor auch ohne Bildunterschriften. Die Fotografien haben die Kriegszerstörungen, die Entvölkerung der Städte, die Wege voll mit der Dramatik der Flucht, aber auch Freude über den Sieg und ein wenig Humor eingefangen. Es gibt auch Bilder vom Tod, von Grabstellen der Kameraden, von Verletzten und dem Verscharren der Ermordeten. Die Sammlung Riemann endet mit erschütternden Bildern des Grabes des Obergefreiten vor Leningrad. Diese Fotografie unterscheidet die Sammlung Riemann von den anderen ausgestellten Sammlungen. Tadeusz Szumański und Czesław Elektorowicz überlebten den Krieg, es gab keinen Anlaß, ein solches Foto zu machen. Der Tod Riemanns ist sauber: Gräber, Kreuze, kein Blut, keine Verletzungen, kein Leiden. Die Serie von Bildern des Oberleutnant Elektorowicz mit herumliegenden Leichen vor Monte Cassino, oder die Bilder des Unteroffiziers Szumański aus dem Feldlazarett sind eine naturalistische Illustration des Todes und der soldatischen Leiden.
Die vierte Kollektion in der Ausstellung sind Fotografien aus dem Zeitungs-Verlag Krakau-Warschau. Das ist eine völlig andere Sammlung als die anderen. Sie ist zusammengetragen von vielen Autoren, technisch, in der Aufmachung und Gestaltung hervorragend. Bei manchen könnte man die Echtheit anzweifeln, als ob sie gestellt wären. Diese Fotos stellen direkt das Kampfgeschehen dar, sie adeln den Krieg. Sie wurden von Kriegsfotoreportern produziert, die ihre Anweisungen von der ausländischen Propaganda erhielten. Die veröffentlichten Bilder der Fotografen der deutschen Propagandakompanien wurden durch vorherige Propagandathesen bestimmt: Zeigen des deutschen heldenhaften Soldaten.
Die in der Ausstellung präsentierten Fotografien der Soldaten-Fotografen sind an der Wirklichkeit des Krieges näher dran, als die während des Krieges veröffentlichten Bilder. Dieses Auseinanderlaufen ist besonders sichtbar bei den deutschen Fotos. Sie halten den schriftlichen Erinnerungen der Soldaten an der Front nicht stand, z.B. der Korrespondenz von Soldaten an der Ostfront oder bei den Kämpfen in Italien. In dieser Literatur können wir ein wirkliches Bild des Krieges finden, registriert von deutschen Soldaten. Sogar die Sammlung Riemann, gemacht auf dem Siegesmarsch der Wehrmacht durch Europa, unterscheidet sich von den Pressebildern. Das Private kann man in der Anordnung finden. Die Ursachen dafür sollte man darin suchen, dass Aufnahmen gemeiner Soldaten, wie T. Szumański, Cz. Elektorowicz und andere, nicht in der polnischen Presse publiziert wurden und werden. Die deutschen Verleger nutzten ausschließlich Fotos spezieller Fotoagenturen.
Die Bilder der deutschen und polnischen Soldaten aus dem zweiten Weltkrieg haben einen zweifachen Wert: sie sind visueller Informationsträger, ein Zeitdokument, und gleichzeitig ein museales Objekt, ein Zeugnis der Fotografiegeschichte.

Andrzej Rybicki M.A., Sachbearbeiter im Fotohistorischen Museum Kraków, Interessenschwerpunkt ist politische Fotografie, insbesondere Kriegs- und Militärfotografie. Ausstellungen und Publikationen zu diesem Themenschwerpunkt, u.a. „Die bolschewistischen Gefangenen aus dem Krieg 1920“ (1995); „Die Professoren der Jagiellonen-Universität – Teilnehmer im polnisch-bolschewistischen Krieg“ (1999); „Die Lüge von Katyn“ (2000); „Polen-Russland im 20.Jh. Eine schwierige Nachbarschaft“ (2002).

Dr. Petra Blachetta, Historikerin, Worms: Ost- und Westjuden in den Gettos in Warschau, Lodz und Lublin unter Hinzuziehung zeitgenössischer Fotografien deutscher Soldaten und eines Volksdeutschen als Primärquellen.

„Foto + Text“, das ist was, was für mich schon lange zusammengehört und wobei zunehmend die Fotografie die Federführung übernommen hatte. Als Hintergrundinformation muß ich sagen, ich bin begeisterte Fotografin und wurde von heute auf morgen als Fotografin einer Tageszeitung ins kalte Wasser geworfen. Daher rühren eine Menge meiner Projekte verbunden mit dem Spürsinn, Fotos zu identifizieren und ihre Geschichte zu entdecken. „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“, sagte mir immer mein Professor an der Technischen Universität Darmstadt und damit kam er mir sehr entgegen.
Auch in diesem Falle hatte ich zuerst die Bilder und erst auf deren Grundlage entwickelte sich die Idee zum obigen Projekt und dem regional geprägten Interesse, den Weg von Juden aus Worms, Mainz, und Bingen nachzuzeichnen, die in Gettos nach Polen deportiert wurden und deren Spuren sich in den Vernichtungslagern Auschwitz, Treblinka und Belzec verlieren. Novum, dass dabei bisher unveröffentlichtes Bildmaterial von Wehrmachtsangehörigen Verwendung findet und dies als Primärquelle genutzt wird. Mit der Nutzung des Querschnittsbereiches „Bild und Bildlichkeit“ wird ein methodischer Neuansatz verwendet, der gleichzeitig einen Perspektivenwechsel beinhaltet, Bilder als Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen, Bilder als Primärquellen zu qualifizieren. Der Einsatz investigativer Bilder in der Historie führt zu einer veränderten Funktion der Bilder im Haushalt des Wissens.
Aus privaten Sammlungen liegen mir unveröffentlichte Fotos aus drei Gettos in Polen vor – Lodz, Warschau, Lublin – insbesondere Bilder eines deutschen Soldaten im Getto von Lublin.

  1. Lodz: Bei den Bildern aus Lodz handelt es sich um zwei Alben, die dem “Herrn Polizeipräsidenten Dr. Albert zur Erinnerung an unsere Zusammenarbeit bei der Lösung der Judenfrage in Litzmannstadt” wahrscheinlich von einem Volksdeutschen gewidmet wurden. Dr. Albert war auch SS-Brigadeführer. Die Bilder sind noch nicht identifiziert, stellen aber eine gewichtige Quelle dar.
  2. Lublin: Durch Zufall kam ich an die Sammlung von Fotografien, die in Worms bei Privatpersonen liegen. Das waren meine ersten „Getto-Fotos“ und die, die mich sehr neugierig auf den Hintergrund dieser Fotografien machten. Die Aufnahmen machte ein 1944 vermisst gemeldeter deutscher Soldat. Heinrich Kumpf ging wohl ganz offensichtlich wegen seiner fehlenden Berührungsangst sehr offen und freundlich auf seine Gegenüber zu. Er hatte hier in Worms mit typischen Westjuden zu tun, traf in Lublin jedoch auf typische Ostjuden, also ein für ihn völlig neues Menschenbild, das er mit seiner Kamera „einfangen“ wollte und zu seiner jungen Frau nach Pfeddersheim schickte. Später wollte er ihr erklären, was es mit den Bildern auf sich habe. Kathrine ließ die Filme entwickeln und wunderte sich über das Interesse ihres Mannes für Anthropologie, denn die Menschen, die sie hier sah, waren andere Juden als die, die sie von Worms kannte.
    Dazu sollen in Polen vorhandene Bilder aus dem Getto Piaski, einer Nebenstelle des Lubliner Gettos herangezogen werden, weil es neue Aufschlüsse zum Schicksal der Wormser, Mainzer und Binger Juden geben soll, die im März 1942 dorthin deportiert wurden.
  3. Warschau: Über die Lubliner Fotos erhielt ich nach Veröffentlichung eines Beitrags in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Bildmaterial, das in einem Paderborner Antiquariat auftauchte: Bilder eines deutschen Soldaten aus dem Warschauer Getto.

Dr. Petra Blachetta, Historikerin. Studium an der Technischen Universität Darmstadt. Lebte 1988-1996 in Warschau, forschte dort wissenschaftlich und arbeitete als PR-Managerin und Chefredakteurin für die deutsche Industrie. 1991 Promotion zur deutschen Parteiengeschichte in Polen in der Zwischenkriegszeit. Seitdem freiberuflich als Historikerin und Journalistin tätig. Inhaltliche Schwerpunkte: Wirtschaftsgeschichte, deutsche und jüdische Minderheit in Polen, jüdische Grabkunst in Polen, jüdische Gettos der Nationalsozialisten im besetzten Polen, daneben auch Buchveröffentlichungen zur rechnergenerierten Bildverarbeitung. Schreibt für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Frankfurter Jüdischen Nachrichten, The Warsaw Voice und die Wormser Lokalpresse. Buchveröffentlichungen zur deutsch-polnischen Geschichte: Klassenkampf oder Nation? – Die deutsche Sozialdemokratie in Polen 1918-1939, Bundesarchivveröffentlichung Nr. 49, Düsseldorf 1997; Lebn wil ich – Was blieb: Jüdische Friedhöfe in Polen, Darmstadt 1999 (überarb. poln. Ausgabe: Bialystok 2000); zuletzt: Beste Marke – Braun AG. Pfeddersheimer Wirtschaft Damals & Heute, Worms und Bialystok 2004. Weitere Informationen auch unter: www.petrablachetta.de

 

 

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